Reisebericht Bolivien September/Oktober 2023

von Bernhard Spechtenhauser

 

 

Nachdem im letzten Jahr wegen der politischen Unruhen der Flug nach Bolivien nicht stattfinden konnte, ist es nun endlich soweit. Der Flug von München über Madrid nach Santa Cruz ist für 27.09.2023 vorgesehen. Mit der Fluglinie Air Europa ist die Reise relativ unbeschwerlich, unkompliziert und doch auch sehr rasch. Früher als geplant landen wir am 28.09.2023 um 04:20 Uhr Ortszeit in Santa Cruz. Es sind bereits einige am Flughafen, die uns abholen, das gesamte Gepäck kann problemlos durchgeschleust werden. Alle helfen dabei die großen, schweren Koffer zu transportieren, zudem ist der Chauffeur vom Behindertenbus mit dabei, da sonst nicht alle Platz hätten. Geplant ist dann ein Treffen im Kolping mit Frühstück gemeinsam mit einigen der Gruppe der „Becas“ (Stipenden). Nach einer kurzen Pause sind wird dann bei den Schwestern zum Mittagessen eingeladen, sie kochen vorzüglich, ist nur einige Schritte neben dem Kolping. Es bleibt dann kaum Zeit zum Ausruhen bzw. Auspacken, denn um 15:00 Uhr ist bereits der Besuch des Mehrzweckhauses in der „Autonomia“ vorgesehen. Wir werden abgeholt und dort hingebracht und können dort vor Ort uns über das gute Funktionieren dieses Mehrzweckhauses überzeugen. Es sind einige Kinder dort, die Schulunterricht bekommen, das Haus ist in gutem Zustand, da bereits schon wenig Platz ist, sind einige Tische vor dem Haus aufgestellt, ein Sonnensegel schützt vor der brennenden Hitze. Hinter dem Haus ist ein kleiner Brunnen gebohrt worden, der von einem Privatspender finanziert wurde. Wir können auch die gute Funktion des Brunnens, die vorgeführt wird, bestätigen. Geplant und auch realisiert war in diesem Bereich hinter dem Mehrzweckhaus ein Agrarprojekt, wegen des kargen Bodens und der diesjährigen Trockenheit war nur eine Ernte möglich. Nun ist geplant, dort entlang des Zauns einige Obstbäume zu pflanzen, die resistent gegen die Trockenheit und Hitze sind.

Da ich mich noch an die alte Unterkunft für die Kinder in diesem Bereich erinnern kann, diese befindet sich nur 500 Meter daneben, gehe ich noch einmal dorthin und zeige es allen, wie es dort vorher war und im Vergleich ist natürlich jetzt dieser Mehrzweckraum bzw. dieses Haus ein Paradies. Nun geht es weiter Richtung 10. Ring, wo von der Gemeinde ein Grund zur Verfügung gestellt wird, um dort eine Schule zu bauen. Obwohl in Bolivien Schulpflicht ist, gibt es eine Unmenge, tausende an Kindern, die keine Möglichkeit zum Schulbesuch haben, aus verschiedenen Gründen. In dieser Gegend sind ebenfalls sehr viele Kinder ohne Schule. Aus diesem Grund ist natürlich der Bedarf groß. Bei der Besichtigung des Areals empfangen uns die Obrigkeiten des barrio (Stadtviertels) mit Kuchen und Coca Cola, auf einem Plastiktisch und Plastiksesseln und erklären uns ihren Plan. Es besteht bereits vom Architekten ein Plan des ersten Bauabschnittes, der doch eine Menge an Geld verschlingen würde. Wir können natürlich diesbezüglich noch nichts zusagen. Nach der Heimreise hat jedoch ein Freund 40% der Kosten zugesagt. Das ist ein gutes Startkapital und wir werden wohl nicht mehr „auskommen“. Inzwischen kommen hinter den Büschen von einem Kanal eine Menge an Kinder vorbei, die neugierig uns beobachten, barfuß, unternährt, schlecht gekleidet. Wir winken, dass sie herkommen und sie bekommen dann den Kuchen und sind höchst erfreut über diese Leckerbissen.

Der erste Tag ist nach dem Flug und nach den ersten Ereignissen doch sehr eindrucksvoll, sodass wir in kleinem Kreis uns zum Abendessen treffen.

 

 

[Zu den einzelnen Tagen der Reise gelangen Sie über die Leiste mit Daten ganz oben auf dieser Seite]

Freitag, 29.09.2023

Heute ist der Besuch der sogenannten „Gabinete“ geplant. Das sind die Untersuchungsräume im Behindertenzentrum. Dort werden die Kinder untersucht von Neurologen, Psychologen und Psychiatern sowie Pädiatern, um eine Einstufung ihrer Erkrankung zu ermöglichen. Da es solche Einrichtungen in ganz Bolivien, wenn überhaupt, kaum gibt, hat es sich bereits herumgesprochen und es kommen auch von auswärts Eltern mit ihren behinderten Kindern, um eine primäre Untersuchung durchführen zu lassen. Mit diesem Geld, welches die Eltern gerne zahlen, kann das Behindertenzentrum einige Angestellte bezahlen. Es wird uns vorgeführt, wie die Untersuchungen laufen, anhand von einigen Kindern mit Einschränkungen. Wir werden dann in diesem Komplex zum Mittagessen eingeladen, es gibt mein Lieblingsessen, das ist das majadito al charque, eine Art Risotto mit getrocknetem Schweinefleisch, zusätzlich immer ein Spiegelei mit Plátanos (Kochbananen). Alle Lehrpersonen sind bei diesem Essen dabei.
Am Nachmittag ist der Besuch an der Behindertenschule mit den behinderten Kindern vorgesehen. Es werden dort einige Vorführungen präsentiert mit Musik, Tanz und verschiedenen Spielen und die Kinder freuen sich sehr, wenn wir mit ihnen mitfeiern. Anschließend präsentieren uns verschiedene Gruppen der Behinderten ihre Arbeiten und erklären uns sehr professionell ihre Produkte.  
Interessant als Detail: Der Schulkomplex für die Behinderten heißt nicht Behindertenschule, sondern „Escuela Especial“, das heißt spezielle Schule. Auch der heutige Tag ist wieder sehr anstrengend und eindrucksvoll, sodass wir am Abend wieder ziemlich kaputt sind.

Samstag, 30.09.2023

Der Plan heute ist der Besuch von verschiedenen Familien, beim Hinfahren erklärt uns Schwester Rosa Maria die Geschichten, ihre Armut, ihre Probleme, ihre Aussichtslosigkeit. Trotzdem empfangen sie uns mit großer Freude und strahlenden Augen sowie Dankbarkeit. Auch hier werden wir wieder in einigen Fällen helfen können. Zu Mittag sind wir wieder bei den Schwestern zum Essen eingeladen, wobei man nach den Erlebnissen des Vormittags sehr nachdenklich, traurig, deprimiert und ohne Hunger ist. Der heutige Nachmittag ist frei, zwei Freunde, die mich in der ersten Woche begleiten und ich treffen uns am Zentralplatz der Stadt auf einen Kaffee und lassen die bisherigen Erlebnisse Revue passieren.

Dienstag, 03.10.2023

In der Früh nach einer Tasse Kaffee werden wir von Rosa Maria und dem Chauffeur abgeholt, geplant sind Visiten. Im Halbstundentakt kommen Leute zu mir ins Kolping, wo die Betreffenden ihre Sorgen und ihre Nöte erzählen, auch mit der Bitte um Hilfe.
Marcela muss ihre Geschwister versorgen, sie ist die Älteste, die Mutter ist sehr früh gestorben, der Vater Alkoholiker. Sie hat ein Studium begonnen und arbeitete nebenher. Es reicht nicht für alle aus (5 Geschwister), sodass wir zumindest die Miete für die Unterkunft übernehmen.
Leonardo ist sehr kränklich und wohnt mit seiner Mutter in einem Zimmer, auch seine kleine Schwester wohnt dort, Küche, Wohnraum, Schlafraum alles in einem, sehr feucht und schmutzig. Für sein Studium wird er unterstützt (Gruppe der Beca). Er ist an der Uni Vorzugsschüler und arbeitet nebenher in der Nacht, indem er Plakate für Firmen für die Werbung entwirft. Hier gibt es die Möglichkeit neben seinem Zimmer ein zweites Zimmer zu mieten, welches wenig kostet und mit einem Kollegen möchte er dieses Zimmer beziehen, auch hier können wir helfen. Zusätzlich spendet ein Privater das Geld für eine Kühlschrank (umgerechnet 25€). Außerdem ein Hochbett (mit Matratze und Leintücher 35€).
Dann kommt Alexander, der Medizin studiert, ist auch in der Gruppe der Stipendiaten und bittet darum, dass wir ihn weiter unterstützen, was wir auch nach Vorlage der erfolgreichen Prüfungen ihm versprechen.
Leo hat vor kurzem seine Mutter verloren, zwei seiner Geschwister sind ebenfalls sehr früh gestorben. Er arbeitet und studiert und ist jetzt provisorisch bei Bekannten untergebracht worden, wo er ein Zimmer mit einem Bett hat, es reicht jedoch nicht für Universität und Leben, sodass wir auch ihn unterstützen, alle Unterstützungen erfolgen nach Rücksprache bzw. Empfehlung mit/von Schwester Rosa Maria.
Und so geht es weiter und am Ende bin ich sehr müde vom Zuhorchen und vom Einfühlen in die Schicksale der Leute. Eine kurze Stadtrunde und ein Kaffee im Irish Pub kann etwas von diesem Druck nehmen.

Mittwoch, 04.10.2023

Auch an diesem Tag werden wir wieder um 09:00 Uhr in der Früh abgeholt, geplant sind Visiten auswärts bei Familien, wo wir wieder viel Elend mitbekommen, es sind alles Familien, wo wir einzelne mit dem Stipendium für Schule bzw. Universität unterstützen. Insgesamt sind es jetzt ca. 90, alle hat Schwester Rosa Maria ausgesucht. Wenn diese jedoch nach einer gewissen Zeit die positiven Zeugnisse vorzeugen, scheiden sie von der Gruppe der Beka (Stipendien) aus. Auch dieser Tag vergeht wie im Flug, am Abend kann ich mich zurückziehen und gehe alleine in das Lokal „Casa del Camba“, wo es typische lokale Gerichte gibt, ich esse mein majadito,  dazu ein Huari.

Donnerstag, 05.10.2023

Geplant wäre heute die Reise bzw. die Fahrt nach Comarapa gewesen, von dort dann weiter nach Cochabamba. Nach Information von den dortigen Schwestern gibt es jedoch von Comarapa nach Cochabamba Blockaden, sodass ich von dort nicht weiterkommen würde, sodass ich kurzfristig umplanen muss. Anstelle der mühsamen Fahrt mit dem Jeep über unwegsames Gelände und mit einer Dauer von 1x 6 und 1x 9 Stunden, ist mir die Umplanung nicht ungelegen. Ich nehme einen Flieger, der bis Cochabamba nur 30 Minuten dauert. Dort angekommen, sind bereits dortige Schwestern und ehemalige Schützlinge, die mich vom Flughafen abholen. Sehr erfreut bin ich über die Begrüßung mit Xavier, er ist einer der Ersten der Brillos gewesen, der mit seinen zwei Geschwistern auf der Straße gelebt hatte, er hat dann mit Unterstützung von Schwester Gundelinde damals und dem Verein das Studium abgeschlossen und ist jetzt Architekt, hat einen Mitarbeiter und ist sehr erfolgreich. Auch seine beiden Geschwister haben es geschafft einen Beruf zu erlernen und auch Arbeit zu bekommen. Durch die Anstrengung am Vortag sehr müde, möchte ich am liebsten dann alleine sein und habe ein Hotel organisiert, was mir empfohlen wurde, jedoch war die Unterkunft unglaublich schmutzig und vor allem sehr laut, sodass ich  dann in der Nacht kaum ein Auge zugemacht habe. In der Früh um 05:00 packe ich meine Sachen und verlasse das „Hotel“ und gehe in ein anderes, welches mir ebenfalls empfohlen wurde, das von außen recht sauber ausschaut. Dort stehe ich jedoch dann mit meinen beiden Koffern, und der an der Rezeption sagt es ist alles voll, obwohl laut  Internet noch viele Zimmer frei gewesen wären. Und so nehme ich ein Taxi und fahre zu einer Unterkunft mit dem Namen „Casa San Martin“, mit einem Innenhof und auch vom Internet her bereits unglaublich schön aussehend und klein, sehr ruhig und zum Glück habe ich dort die Möglichkeit zumindest eine Nacht unterzukommen und mich auszuruhen. Jedoch nur für eine Nacht. Ich werde dann am kommenden Tag, Samstag, um 09:00 Uhr abgeholt, kann meine Koffer dort abstellen, Frau Mirtha holt mich ab und wir besuchen dann das Projekt „Fe y Alegría“ in der Peripherie von Cochabamba, wo wir Kinder mit Essen versorgen, die dort von Freiwilligen unter Leitung von Frau Mirta Nachhilfe und Schule bekommen. Dort ist es sehr üblich, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken, sondern zur Arbeit, da sie die Sinnhaftigkeit nicht einsehen. Wir haben dann seit einigen Jahren bereits versucht die Eltern in das Projekt miteinzubinden und es gelingt uns nun Jahr für Jahr mehr die Eltern zu überzeugen, wie wichtig eine Ausbildung bzw. die Schule für die Kinder ist. Insgesamt sind jetzt 200 Kinder dort in Betreuung von Montag bis Samstag. Wir vom Verein Brillos finanzieren das Essen, welches sie tagtäglich bekommen. Auch hier sehe ich wieder große Fortschritte, die sich in den letzten zwei Jahren getan haben und wir werden natürlich dieses Projekt weiterhin unterstützen. Mirtha  wünscht sich Leute aus Europa, Freiwillige, die dort mithelfen.
Nach den Visiten durch die Räume kommt es dann zu den Vorstellungen mit Tänzen, Musik und Vorträgen, welche die Kinder und Jugendlichen mit Begeisterung vorbereitet haben. Danach besuchen wir noch einige Familien, wo die Kinder zum Treffen in Fe y Alegría kommen, ärmliche Hütten, wo es bei Regen hineinregnet und vom Boden her, welcher aus Lehm besteht, ebenfalls feucht wird. Die Kinder Großteils zufrieden und strahlen, jedoch sehr ärmlich, unterernährt, und das Problem ist vor allem die medizinische Versorgung, die in vielen Fällen überhaupt nicht gegeben ist. Ein großer Plastikbehälter kann das Regenwasser auffangen, von dort trinken die Kinder mit einem Plastikbecher das zum Teil trübe Wasser. Dass die Kindersterblichkeit dort sehr hoch ist, darf einen nicht wundern. Es gibt kein fließendes Wasser, keine Kanalisierungen, Hunde wohnen gleichzeitig mit den Menschen in den Räumlichkeiten, auch Hühner, Schafe und Schweine.
Nicht nur die ganzen Eindrücke untertags, sondern auch die Höhe (bei ca. 3000 Metern Meereshöhe) machen mir diesmal etwas zu schaffen, mit starken Kopfschmerzen, Luftnot bei Anstrengung, und nur mühsam kann ich medikamentös die Symptomatik etwas verbessern. Umso mehr bin ich froh, dass ich im Casa San Martin heute eine schöne ruhige Unterkunft habe, mit einem Bett. Wenn jemand einmal in Cochabamba sein sollte, kann ich diese Casa San Martin sehr empfehlen, es liegt in der Calle Colombia 156 in Cochabamba…..
Am Abend gönne ich mir einen Kaffee im Oasis, Calle España, danach muss ich eine neue Unterkunft suchen und zwar im Hotel Montserrat, welches in der Nähe liegt, da ich in der Nacht darauf dann wieder im Casa San Martin untergebracht bin. Das neue Hotel ist wieder sehr schmuddelig, ich kann jedoch wegen der Müdigkeit etwas schlafen. Andererseits weiß ich, dass viele hier viel schlechtere Wohn- und Schlafbedingungen haben, sodass ich damit auch zufrieden bin.

Sonntag, 08.10.2023

Ein herrlicher Morgen mit viel Sonne, sodass ich sehr früh das Zimmer verlasse und mein Gepäck in La Casa San Martin bringe. Daraufhin setze ich mich in ein Café in der Nähe des Zentralplatzes der Stadt, sonst sind fast alle Lokale am Sonntag zu. Ich genieße die Ruhe und schreibe mir einige Erlebnisse zusammen. Zu Mittag bin ich bei den Schwestern zum Essen eingeladen, daraufhin kommt eine Gruppe von Jugendlichen, die wir mit einem Stipendium unterstützen, genauso wie in Santa Cruz, es wird musiziert, gesungen und getanzt. Dazu gibt es noch für alle am späteren Nachmittag ein Essen. Gegen Abend sind die Feierlichkeiten vorbei, alle haben sich sehr gefreut und ich ziehe mich zurück in meine Unterkunft.

Montag, 09.10.2023

Bereits um 06:00 Uhr werde ich abgeholt und zum Flughafen gebracht, weil ich nach Sucre fliege. Der Flug dauert nur 30 Minuten, dort werde ich am Flughafen von Juan Pablo abgeholt. Juan Pablo ist jetzt bereits 20 Jahre alt, wurde als Kind im Krankenhaus Kufstein wegen eines Knochentumors von dem leider sehr früh verstorbenen Primar Breitfuss operiert. Es geht ihm gut, er arbeitet und studiert an der Uni. Die Freude über das Wiedersehen ist groß und wir fahren dann gemeinsam mit einem Taxi in die Stadt. Der Flughafen in Sucre ist etwa eine Fahrstunde von der Hauptstadt entfernt. Die Straßen sind schlecht, sodass wir diesmal mehr als eine Stunde brauchen. Die Unterkunft in Sucre auf einer Höhe ist wiederum das Kolping, welches ich seit Jahren besuche, die Aussicht auf die Stadt ist unglaublich schön und die Unterkunft selber auch sehr sauber. Gegen 13:00 Uhr werde ich bereits vom Taxi abgeholt, wir fahren nach Yotala, das ist ein Dorf ca. eine halbe Fahrstunde vom Zentrum entfernt. Dort treffen wir uns mit der Señorita Gaby und den 36 Jugendlichen, die ebenfalls hier ein Stipendium bekommen. Inzwischen gibt es dort ein Orchester mit Geigen und Cello. Der Dirigent und Musikprofessor leitet die Gruppe akribisch, die Musikdarbietungen sind anspruchsvoll, nicht nur für die Orchestermitglieder, sondern auch und besonders für mich als Zuhörer. Trotzdem sind sie stolz über ihre Künste und werden sich bis in einem Jahr deutlich verbessern, wie sie mir versprechen. Wir unterhalten uns dann noch mit den Einzelnen, die ihre Geschichten erzählen und später werde ich wieder nach Sucre zurückgefahren.

Dienstag, 10.10.2023

Heute ist die Einweihung des neu errichteten Kindergartens am Programm. Ich werde bereits um 09:00 Uhr abgeholt und im Schulkomplex in Yotala sind die Kindergartenkinder bereits in großer Aufruhr und freuen sich sichtlich über das große Fest. Mit Musik und Tanz geht es dann weiter, wie dort üblich. Bürgermeister und Beamte sind anwesend und bedanken sich aufs Herzlichste mit Geschenken. Ein „brindis“ (Anstoßen) mit gegärtem Apfelsaft darf nicht fehlen. Die Räume des Kindergartens sind großzügig und sonnendurchflutet gebaut und bieten viel Platz für die etwa 300 Kinder. Nach einem guten Mittagessen fahren wir etwas außerhalb des Dorfes, wo wir uns mit der Maturaklasse vom Vorjahr treffen. Vor zwei Jahren haben wir ihnen versprochen, die Patenschaft für diese Klasse zu übernehmen. Dies ist dort jedoch nie nur im ideologischen Sinn gemeint, sondern bedeutet auch, dass wir ihnen ein Geschenk bringen. Eine gute Freundin von mir hatte es bereits im Jahr zuvor vorbereitet, von den 40 Mitgliedern der Maturaklasse wurde für jede Einzelne ein Geschenk eingepackt und ich habe das natürlich jetzt mit und mit großer Freude nehmen sie die Geschenke entgegen. Fast alle haben den Anschluss an die Uni geschafft, um das Studium zu finanzieren, arbeiten alle nebenher..  
Anschließend ist ein typisches Bolivianisches Essen vorbereitet, welches die Klasse selber finanziert hat. Es gibt einen speziellen Schweinebraten mit Kartoffeln, Reis, Quinoa und Mais sowie ein Getränk. Die Freude ist groß und viele von ihnen haben mit Sicherheit lange nicht mehr so gut gegessen. Danach gibt es wieder Ansprachen und Geschenke zum Mitnehmen und natürlich auch Musik und Tanz auf dem Rasen eines großen Vorgartens. Auf einer Höhe von etwa 3000 Metern über dem Meeresspiegel merkt man bei Anstrengung die dünne Luft. Gegen Abend werde ich wieder heimgebracht und bin froh, etwas in Ruhe durchschnaufen zu können. Ich schlafe gut.

Mittwoch, 11.10.2023

Auch heute wieder werde ich um 09:00 Uhr abgeholt. Wir besuchen Familien in der Umgebung, die ein Stipendium bekommen, die Familie von Celia und Sebastian ist sehr arm, unter einem Feigenbaum ist ein Bretterdach errichtet, an den vier Enden von Holzsäulen gestützt, die Wände notdürftig mit Blech abgedichtet, auf dem Lehmboden ein kleines offenes Feuer, wo gerade zu Mittag gekocht wird, es gibt eine klare Hühnersuppe und als Hauptspeise einen Kartoffelbrei. Die weiteren Besuche sind ähnlich, sehr ärmliche Verhältnisse, unterernährte Kinder mit Krankheiten. Man kann den Anblick oft fast nicht aushalten. Wieder zurück in Sucre setze ich mich auf den Zentralplatz hin, trinke ein Bier (Huari) und bin wieder ganz  zufrieden und glücklich über unseren Reichtum in Europa, die medizinische Versorgung. Ich bin motiviert weiterzumachen, wie in den letzten 22 Jahren. Nicht zuletzt motiviert mich die großzügige finanzielle und auch emotionale Unterstützung der vielen Freunde und Wohltäter sowie Patienten in Österreich. An dieser Stelle Ihnen allen herzlichen Dank.

Donnerstag, 12.10.2023

Nun ist es wieder Zeit nach Santa Cruz zurückzufliegen. Auch heute werde ich zeitig abgeholt und zum Flughafen gebracht, der Flieger hebt dann pünktlich nach Santa Cruz ab. Zu Mittag komme ich dort an, es hat etwa 37°C mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Nach einem Mittagessen bei den Schwestern ziehe ich mich am Nachmittag zurück, um einige Erlebnisse zusammenzuschreiben, im Bar Irlandés im Zentrum bei einem Kaffee.

Freitag, 13.10.2023

Geplant ist heute ein Treffen mit Schwester Rosa Maria und einem ihrer Gehilfen, die mir die Einnahmen und Ausgaben vom letzten Jahr erklären und zur Vorlage beim Wirtschaftsprüfer mitgegeben. Dabei sind auch bereits 5 neue Projekte vorbereitet, die ich so zur Durchsicht mitbekomme, in der Hoffnung, zumindest eines davon in diesem kommenden Jahr zu realisieren. Dabei ist das erste Projekt der erste Bauteil im geplanten Schulkomplex in der Peripherie von Santa Cruz, wo wir den Grund zur Verfügung gestellt bekommen. Der Bedarf ist groß.
Für den kommenden Tag ist in dem Colegio in der Gastronomieschule Pizzakochen vorgesehen und mit Hilfe von einigen Freiwilligen gehen wir die Zutaten einkaufen.

Samstag, 14.10.2023

Wie jedes Jahr ist das Treffen in unserem colegio (Schulgebäude) zum Pizzakochen ein großes Fest und es werden heuer bis zu 150 Leute erwartet. Nach Rücksprache mit einem mir bekannten Pizzaiolo in Italien mache ich mit etwa 16 kg Mehl den Pizzateig, der sehr gut wird. Mit den eingekauften Zutaten belegen die Jugendlichen der Gastronomieschule ihre eigene Pizza, wobei meistens alle Zutaten auf eine Pizza kommen. In großen Ofenblechen werden sie dann gebacken und der Duft ist umwerfend, die Pizza gelingt gut. Alle bekommen genug zum Essen, es bleibt aber kein Stück Pizza übrig. Nach einigen musikalischen Einlagen, Ansprachen und Dankesreden komme ich müde und etwas abgeschlagen in meine Unterkunft.

Sonntag. 15.10.2023

Heute ist ein ruhiger Tag, wir sind bei chirurgischen Kollegen daheim zum Mittagessen eingeladen. Es gibt Grillfleisch, Würstchen, auch Salate und einen guten Tropfen Wein. Die drei Kollegen waren alle bereits einige Zeit im Krankenhaus Kufstein und haben dort Erfahrungen eingesammelt.

Montag, 16.10.2023

Üblicherweise ist kurz vor meinem Abflug immer wieder geplant, dass Leute zu Gesprächen zu mir kommen, um ihre Geschichten und Schicksale zu erzählen, im Stundentakt kommen sie inzwischen recht pünktlich, weil sie wissen, dass ich die dort übliche Unpünktlichkeit mit einer Verspätung von bis zu einer Stunde sehr ungern akzeptieren kann und überhaupt nicht mag, das hat sich bereits herumgesprochen…. Und so klingt der letzte Aufenthaltstag in Santa Cruz de la Sierra, Bolivien, aus, vollgestopft mit vielen Erlebnissen und Eindrücken, Großteils Bilder von  großer Armut und Not und Aussichtslosigkeit, und trotzdem immer wieder voller Freude und Dankbarkeit, die Menschen sind meist viel zu zufriedener als viele von uns in unserem Luxus.